Antifa bleibt notwendig
Die Bundestagswahl liegt nun hinter uns und noch ist nicht ganz klar, was das Ergebnis bringen wird. Voraussichtlich werden CDU und SPD in Verhandlungen über eine neue Bundesregierung gehen. Die SPD hat massiv an Zustimmung verloren und auch die CDU ist alles andere als eine starke Siegerin. Trotzdem ist Schwarz-Rot die einzige Option auf eine Regierung aus der sogenannten „Mitte“. Manche sehen mit dieser Wahl gar die Dämmerung der „Mitte“ gekommen. Eine Horrorvorstellung für viele, da diese „gute Mitte“ häufig zum Bollwerk einer Demokratie verschrieben wird. Vielleicht äußert sich in den Wahlergebnissen aber auch das massenhafte bewusst werden, dass diese Mitte schon seit Jahren selten auf ihrer Seite stand und vor allem in Krisensituationen viele Menschen im Stich gelassen hat.
Noch immer kämpfen viele täglich mit den gestiegenen Preisen im Supermarkt oder gegen steigende Mietkosten. Noch immer kämpfen Menschen für einen Lohn, der wenigstens die Kaufkraft-Verluste der vergangenen Jahre ausgleichen kann. Noch immer werden Sozialleistungen von führenden Politiker*innen als verschwenderischer Luxus ausgegeben, während sich Parteien bei der Finanzierung der Militiarisierung übertrumpfen wollen. Aber wie viel Sozialstaatsabbau kann den Menschen zugemutet werden und wie weit lässt sich die Politik gegen die Interessen großer Teile der Bevölkerung noch treiben? Unsicherheit scheint das prägende Gefühl unserer Zeit.
Auch unabhängig des Wahlergebnisses bleibt eines sicher: für antifaschistische Bewegungen gibt es weiterhin viel zu tun. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen, uns organisieren und gemeinsam als Klasse kämpfen.
Antifa und Massenproteste
Schon nach dem Bekanntwerden des Treffens von AfD und CDU-Funktionären mit rechten Aktivisten und Unternehmern im Januar 2024, gab es über Wochen hinweg Proteste in ganz Deutschland. In manchen Orten eher bürgerlich getragen und in anderen von organisierten Antifaschist*innen mitgestaltet. Was nach dem Beginn einer breiten Bewegung aussah, wurde über die Wochen hinweg jedoch immer weniger schlagkräftig. An der Rechts-Bewegung von Grünen bis CDU hat sich seitdem kaum etwas geändert. Auch die Europawahl im Juni und die Landtagswahlen in mehreren Bundesländern können sicher nicht als Zeichen eines linken Aufbruchs gewertet werden.
Der Wahlkampf nach dem Bruch der Ampelkoalition lief eher gemächlich in Richtung einer kommenden CDU-Regierung unter Friedrich Merz. Das Blinken von Friedrich Merz in Richtung AfD Anfang Januar 2025 wird als Tabubruch in der bundesdeutschen Geschichte beschrieben und hat erneut viele Menschen auf die Straße gebracht, um gegen die Zusammenarbeit mit der rechten und faschistischen AfD zu demonstrieren.
So stark das Zeichen auf den Straßen war, wirkte der politische Protest in Teilen widersprüchlich, denn auch die Parteien der „Mitte“ waren sich bis zuletzt nicht für politische Forderungen zu schade, die vor einiger Zeit noch reine AfD-Positionen waren. Allein auf innerparlamentarischen Protest zu setzen, kann in solchen Zeiten, oder im Grunde nie eine Lösung sein. Auch wenn noch nicht absehbar ist, wie viel von den Massenprotesten hängen bleiben wird, haben sie die Notwendigkeit bündnisorientierter und umfassender antifaschistischer Arbeit gezeigt, die ihre eigenen Positionen trotzdem offensiv vertritt.
Mit blauem Auge davongekommen?
Dass das Besetzen rechter Themen überwiegend der extremen Rechten dient, ist zwar lang bekannt und gut belegt, aber das konnte weder die CDU, noch Grüne oder SPD davon abhalten Abschiebung und Begrenzung zu Schlagwörtern des Wahlkampfes zu machen. Mit dem Wahlergebnis der AfD von über 20% und ihrer Funktion als größter Oppositionspartei, wird sie alles versuchen auch die kommende Regierung weiter nach rechts zu ziehen. Wie weit ihr das gelingen wird, lässt sich anhand der Geschehnisse der letzten Wochen ableiten. Schließlich scheiterten die Pläne von Merz weniger an inhaltlichen Fragen, sondern lediglich an der Form.
Die CDU stellt sich im nach hinein als Opfer einer politischen Kampagne dar und gibt einen Vorgeschmack, dass sie willens ist, unbequeme Protestbewegungen politisch anzugreifen und Mittel zur Demokratieförderung in Frage zu stellen. In Ländern, in denen der Autoritarismus weiter vorangeschritten ist, lässt sich beobachten, dass der Angriff auf eine kritische außerparlamentarische Opposition zum Standardwerkzeugkasten der Herrschenden gehört. Damit sollen linke Bewegungen gespalten und geschwächt werden.
Auch über politische Angriffe hinaus, wird eine CDU-Regierung unter Merz Einschnitte für linke Bewegungen auf praktischer und lokaler Ebene bedeuten. Die absehbare Sparpolitik wird nicht nur Menschen in unserem Umfeld, sondern auch soziale und kulturelle Einrichtungen direkt betreffen. Rechte Akteure werden selbstbewusster und offener auftreten. Die seit Jahren zunehmende Repression gegen Antifaschist*innen und andere Linke, wird politisch weiter gedeckt, um soziale Konflikte einzudämmen.
Wir müssen uns auf stärkeren Gegenwind einstellen. Deshalb bleibt es wichtig auch zivilgesellschaftliche Freiräume linker Politik weiter auszubauen, die von Solidarität getragen und nicht von öffentlichen Geldern abhängig sind sowie die Möglichkeiten vielseitiger Widerstandsformen zu verteidigen.
Ein Problem des Ostens?
Auch wenn es die Karte der gewonnenen Wahlkreise plakativ nahelegt, ist die AfD kein Ost-Problem. Die AfD ist überall dort stark geworden, wo viele Menschen geringe Einkommen und wenig Vermögen haben und sie dadurch von Krisen stärker in ihrem Alltag betroffen sind. Das ist zwar im Osten ein flächendeckendes Phänomen, zeigt sich aber auch in den ärmeren Stadtteilen westdeutscher Großstädte oder vereinzelten Wahlkreisen in denen die AfD ebenfalls an die 20% der Stimmen gewinnen konnte. Die Ursachen dafür liegen in den weit verbreiteten Krisenerfahrungen der letzten Jahre und nicht in einer mangelnden Demokratieerfahrung Ostdeutscher.
Dennoch entbehrt die Benennung der wahren Ursachen vor der Tatsache, dass Rechte in Ostdeutschland vielerorts stärker organisiert und „normalisiert“ sind als im Westen. Antifaschistische Politik muss deshalb auch die überregionale Organisierung voranzutreiben um Kompetenzen und Ressourcen zu teilen und gemeinsam auch dort stärker zu werden, wo sich Rechte sicher fühlen.
Den Kampf aufnehmen
Eine Wahl der AfD ist sicher nur bedingt Folge ihres überzeugenden Angebotes. Es ist also müßig zu wiederholen, dass ihre Lösungen eigentlich keine sind. Auch die Feststellung, dass ihre Lösungen nur einfache seien, die komplexen Problemen nicht gerecht werden, geht an der Tatsache vorbei, dass für viele Menschen einfache Lösungen, wie ein höherer Mindestlohn oder mehr Umverteilung, viele Probleme lösen könnten, egal wie komplex deren Ursache sein mag. Menschen schreiben den Rechten die Hoffnung zu, dass sich nur mit ihnen alles ändern wird.
Der Erfolg der AfD zeigt nämlich auch, dass viele Menschen durchaus empfänglich sind für politische Ansätze, die ihnen Hoffnungen auf eine „Wende“ machen. Viele Menschen beklagen politisch greifbare Alltagsprobleme, die es zu adressieren gilt. Wer will ihnen die Sehnsucht nach einer Wende verübeln, angesichts der prekärer werdenden Zustände großer Teile der Bevölkerung, Arbeitende, Rentner*innen oder junge Menschen- und einer Politik, die überwiegend Wohlhabende und Konzerne bedient. Dass sich diese Menschen rechten Parteien zuwenden, ist kein Naturgesetz.
Der Erfolg der Linkspartei und das damit verbunden Abstrafen von SPD und Grünen für ihre rechte Politik, haben gezeigt, dass linke Inhalte überzeugen können. Die Massenproteste haben gezeigt, dass viele bereit sind, sich für ihre Interessen einzusetzen. Diese zu organisieren und zu fördern, kann auch eine Stärkung und Verbreiterung antifaschistischer Organisationen bedeuten. Jetzt gilt es bestehende Strukturen zu stärken und niederschwellige Angebote für Theorie und Praxis zu bieten. So düster es momentan aussehen mag, besteht die Hoffnung auch auf einen Aufbruch linker Kräfte. Dieses Moment sollte uns als Antifaschist*innen und unseren Genoss*innen die Zuversicht geben antifaschistische Politik weiter zu tragen. Erst Recht dort, wo sie am notwendigsten ist, aber auch dort, wo viele Menschen gerade beginnen, sich für eine bessere Zukunft zu organisieren. Diese Zukunft kann unsere werden. Lasst uns die Antifaschistische Aktion aufbauen! Organisiert euch!
Antifaschistische Aktion Mannheim, im Februar 2025